SIEDLUNGEN UND PROJEKTE DER NEUEN HEIMAT 1950–1986
Radtour durch den Frankfurter Westen
F-61 BIKE // Radtour // Frankfurt am Main
Von den typischen Zeilenbauten der ersten Nachkriegsjahre bis zu den Großwohnsiedlungen, die ab den 1960er Jahren entstanden: Diese Radtour führt von Sachsenhausen über Goldstein, Sossenheim, Rödelheim, Praunheim und Bockenheim bis ins Gallus und zurück zum DAM.
Informationen
Die Radtour durch den Frankfurter Westen führt entlang von Grünzügen und gut ausgebauten Wegenetzen zu großen wie auch kleineren Siedlungen und Projekten der Neuen Heimat.
Hinweise zu weiteren interessanten Projekten am Wegesrand sind in der Projektübersicht unten farbig markiert. So haben wir beispielsweise alle Parks und Spielplätze entlang der Route markiert, um auch das zweite Thema, dem sich das Deutsche Architekturmuseum derzeit mit der Ausstellung PLAYGROUND PROJECTS widmet, Aufmerksamkeit zu schenken.
Selbstverständlich kann die Route individuell angepasst, alternative Start- und Endpunkte gewählt, wie auch einzelne Etappen und Tourenabschnitte separat nachgeradelt werden oder auch als Inspiration für kleinere Spaziergänge oder längere Touren zu Fuss dienen.
DAUER DER TOUR: rund 5–6 Stunden [reine Fahrtzeit: 2:38 Std bei 15,5 km/h]
DISTANZ: rund 40 Kilometer inkl. einer Fährüberfahrt [€ 1,30/ Person inkl. Rad]
HÖHENMETER: aufwärts 150 Meter // abwärts 150 Meter
EINLEITUNG
Die Siedlungen und Wohnhäuser, die in der Nachkriegszeit und bis in die 1980er Jahre im Rahmen von Wohnungsbauförderprogrammen entstanden, stellen einen Großteil der Wohnungsbestände in Frankfurt und auch anderen deutschen Städten und Gemeinden. Mit zwei Radtouren möchten wir dazu einladen einen vertiefenden Blick in die Siedlungs- und Baugeschichte dieser Epoche zu werfen und nachzuspüren, welche Qualitäten das Wohnen in kleineren und größeren Siedlungen hat und wo sichtlich bauliche Mängel oder soziale Schieflagen das Bild trüben. Je nach Nachbarschaft, Lage und Einbindung in das Umfeld, Bauepoche, Form und Qualität bieten sich den Bewohnern ganz unterschiedliche Lebenswelten und den Besuchern ein jeweils anderes Bild. An den räumlichen Übergängen wie den Eingängen der Häuser – von den aufgereihten Balkonen der Zeilenbauten, den Dachterrassen der Wohnhochhäuser oder den Wiesen und Parklandschaften zwischen Wohnhausgruppen – in den Bewegungs- und Begegnungsräumen der Straßen und öffentlichen Wege, Grünflächen und Gärten und nicht zuletzt in den Wohnungen selbst, finden sich vielfältige Eindrücke und Momentaufnahmen städtischen Lebens, die gleichzeitig eine Zustandsbeschreibung unseres gesellschaftlichen Miteinanders zeichnen.
TOUR
Die zweite Radtour zu den Siedlungen und Projekten der Neuen Heimat beginnt, genauso wie die erste (BIKE-07) vor dem Deutschen Architekturmuseum, wo noch bis 11. Oktober 2020 die Ausstellung DIE NEUE HEIMAT. EINE SOZIALDEMOKRATISCHE UTOPIE UND IHRE BAUTEN, 1950–1986 zu sehen ist.
Zwei Hochhäuser, die in den 1970er Jahren vom Konzern der Neuen Heimat gebaut wurden, sind vom südlichen Mainufer mit Blick Richtung Norden gut sichtbar: Das markante Hochhaus der Bank für Gemeinwirtschaft BfG am heutigen Willy-Brandt-Platz (früher Theaterplatz), das mittlerweile unter dem Namen Eurotower bekannte ist, weil viele Jahre lang der Sitz der Europäische Zentralbank und nun der Bankenaufsicht BaFin, sowie das Verwaltungsgebäude der Deutschen Genossenschaftsbank, heute Union Invest, das in Kürze umgebaut werden soll zum Wohnhochhaus Riverpark Tower (Architekt Ole Scheeren) und an dem unsere Radtour enden wird.
Nur 800 Meter südlich vom Mainufer und rund 1,5 Kilometer vom DAM entfernt, entstand ab 1927 die Siedlung Riedhof West. Südlich des weitaus bekannteren Teils, der zwischen 1927 und 1934 durch die Architekten Ernst May, Herbert Boehm, Fritz Berke und Franz Roeckle geplanten und gebauten Heimatsiedlung zwischen Stresemannallee und Mörfelder Landstraße mit mehr als 1.000 Mietwohnungen, kamen zwischen 1952 und 1956 mit dem Bau der Fritz-Kissel-Siedlung noch mal 2.330 Wohnungen südlich der Mörfelder Landstraße dazu. Nicht nur die bevorzugte Lage im beliebten Stadtteil Sachsenhausen, sondern auch die schlichte Eleganz der verschiedenen Haustypen und die gelungene städtebauliche Komposition machen diese Siedlung zu einem Vorzeigeobjekt gelungener Nachkriegsmoderne und sozialen Wohnungsbaus.
Am Rand des Stadtwalds entlang und an den beiden Waldspielparks Louisa und Carl-von-Weinberg vorbei, wo in der Regel eine Vielzahl von Familien mit Kindern die Naturnähe und Weitläufigkeit genießen, geht es weiter Richtung Niederrad und Schwanheim. Der Radweg führt am Frankfurter Golf Club vorbei, der 1913 von einflussreichen Unternehmerpersönlichkeiten aus dem Frankfurter Großbürgertum gegründet wurde und damit einer der ältesten Golfclubs Deutschlands ist.
Am südöstlichen Rand von Goldstein entstand zwischen 1994 und 1996 ein eigenständige kleine Siedlung mit 162 öffentlich geförderten Sozialwohnungen, die der Stararchitekt Frank O. Gehry für die Nassauische Heimstätte entwarf. Mit auffällig gestalten Hauseingänge und Balkonen in Zinkblech und Putzfassaden in weiß, rot und gelb ist die Wohnsiedlung Goldstein noch lange kein Guggenheim Museum, doch lohnt sich die Besichtigung diese Projekts entlang des Weges allein schon wegen seiner außergewöhnlichen Form und differenziert gestalteten Freiräume.
Was viele Frankfurter nicht wissen, ist, dass Goldstein, anders als der Frankfurter Berg, kein eigenständiger Stadtteil Frankfurts ist, sondern eine Siedlung. Zwischen Niederrad und Schwanheim entstand ab Anfang der 1930er Jahre auf Basis der ursprünglich durch den Frankfurter Stadtrats und Dezernent für Städtebau Ernst May entwickelten Planung einer Gartenstadt ein Trabant in Stadtrandlage. Die anfänglich für kinderreiche Siedlerfamilien aus dem ländlichen Umland geplante und letztendlich von 1932–1936 im Geist des Nationalsozialismus gebaute Selbstversorgersiedlung aus Doppelhäusern auf 750 Quadratmeter großen Erbpachtgrundstücken existiert bis heute und ist nur in Teilen durch Neubauten ersetzt.
In den 1960er Jahren entstanden weitere Wohnhäuser und Siedlungsbereiche entlang des Grünzugs rund um den Schwarzbach, der den Goldsteinpark mit dem historischen Ortskern von Schwanheim verbindet: neben den Wohnhäusern Im Hirschländchen und den Wohnhäuser für Forstarbeiter auch die Hochhaussiedlung Heisenrath. Heute leben rund 11.000 Menschen in Goldstein.
Über eine der Fuss- und Radwegebrücken, die über die parallel zum Mainufer verlaufende Schnellstraße führen, gelangt man zum Schwanheimer Ufer und allseits beliebten Mainufer-Rad- und Wanderweg.
Bis zur Fähreanlegestelle südlich von Höchst führt der Weg immer am Main entlang durch Wiesen und entlang Alleen. Nach der Überfahrt über den Main mit der Höchster Fähre besteht die Möglichkeit eines Abstechers in den Schlosspark, zum Marktplatz und in die pitoreske Altstadt – auch als Pause inklusive Einkehr sehr zu empfehlen.
Die Wohnanlage Auerstraße mit 137 Wohnungen unweit des Höchster Stadtparks ähnelt den vielen anderen Zeilenbauten dieser Zeit. Dagegen hebt sich die Henri-Dunant-Siedlung, die zwischen 1961 und 1965 in Sossenheim entstand, deutlich ab. Mit ihren 1056 Wohnungen, die sich entlang des Dunantring und dreier Querstraßen auffächern, Altenwohnungen, Schulen und einem kleinen Nahversorgungszentrum, ist das Quartier autark und beliebt bei Familien, die hier beides finden: ein ruhiges Leben im Grünen und die relative Nähe zum Zentrum Frankfurts und zum Vordertaunus.
Durch die Chlodwig Poth Anlage geht es hinunter zum Niddaradwanderweg, der Teil des Frankfurter Grüngürtel ist, bis zum Solmspark mit dem Spielplatz »Blauer Steg«. Das Highlight dieses Streckenabschnitts ist ohne Frage der Brentanopark. Das mitten im Frankfurter Stadtteil Rödelheim ein englischer Landschaftsgarten mit pittoresken Bauten zu finden ist, ist nur wenigen bekannt. Der Bankier Georg Brentano, Bruder des Dichters Clemens Brentano, hat sich hier zwischen 1808 und 1823 auf rund 14 Hektar Fläche einen romantischen Landschaftsgarten mit reizvollen Kleinarchitekturen geschaffen, wie das Petrihaus, den Kaufmann-Pavillon und das Brentanosche Gartenhaus.
Im Kontrast dazu stehen die Wohnhäuser der Siedlung Westhausen und der Heinrich-Lübke-Siedlung links und rechts der Ludwig-Landmann-Straße. Die Siedlung Westhausen gehörte 1929 bis 1931 zu den letzten großen Siedlungsbauten des Neuen Frankfurt mit insgesamt 1116 Mietwohnungen. In den 1960er, 80er und 90er Jahren entstanden noch vereinzelt Neubauten, u.a. durch die Neue Heimat. Und in der Epoche dazwischen, in den 1970er Jahren, widmete die Stadtplanung einen Teil der verbindenden Grünfläche zwischen den beiden 1920er Jahre Siedlungen Westhausen und Praunheim, westliche und nördlich der ebenfalls in der Zeit des Neuen Frankfurt gebauten Ebelfeldschule, um für den verdichteten Geschosswohnungsbau. Die ganzheitliche Bestandssanierung der 1970er Jahre Bauten und Erweiterung um ein Quartierzentrum sowie eine Sammelgarage wurde als Modellprojekt gefördert und hat mit „minimalinvasiven“ Umbauten zur Aufwertung Quartiers beigetragen.
Auf dem Weg Richtung Innenstadt führt die Fahrradroute vorbei an weiteren Zeilenbauten, der NH Wohnanlage Hausen mit 415 Wohnungen. Das zeithistorisch interessantere Projekt ist sicher der Wiederaufbau Bockenheims in den 1950er Jahren, in denen entlang diverser Straßen und Gassen 950 Wohnungen am nordwestlichen Ortsrand des industriell geprägten Stadtteils entstanden.
Wer von hier aus noch zur Friedrich-Ebert-Siedlung radeln mag, passiert das Europaviertel und die Hellerhofsiedlung mit Bauten von Mart Stam. Ähnlich wie die Siedlung Westhausen, stammt die Grundstruktur der Friedrich-Ebert-Siedlung aus dem Stadtentwicklungs- und Wohnungsbau-Programm des Neuen Frankfurt. Auf dem 25 Hektar großen Areal im westlichen Gallus, am Rande des Griesheimer Exerzierplatzes leben heute rund 3.400 Bewohner in 2.135 Wohnungen.
Der Rückweg führt am ehemaligen Telenorma-Areal, dem Ordnungsamt, den Adler-Werken und den vielen neuen Wohnbauprojekten vorbei, die in den vergangenen Jahren am südwestlichen Rand des Gallusviertels, nördlich der Bahntrasse, entstanden sind.
An der Galluswarte rechts abbiegend und über die Camberger Brücke, mit einem der spektakulärsten Blicke auf das Gleisvorfeld und die Perronhallen des Hauptbahnhofs sowie die Frankfurter Skyline, geht es am Heizkraftwerk West vorbei zum Westhafen und von dort entspannt am nördlichen Mainufer zurück in die Innenstadt.
Ein letztes Neue Heimat Projekt auf der Route wartet auf den Umbau zum Luxusappartment-Wohnhochhaus: Der ehemalige Verwaltungsgebäude der Deutschen Genossenschaftsbank – heute Union Invest – zukünftig Riverpark Tower.
Projektauswahl
in schwarz: Projekte zum Thema
in petrol: interessante Projekte entlang des Weges
in oliv: Parks und Grünflächen entlang des Weges
in brombeer: Spielplätze
in gelb: Empfehlungen enlang des Weges
Verwaltungsgebäude Bank für Gemeinwirtschaft | Gewerbliche Bauten | Richard Heil | 1971–1977
Heimatsiedlung (Siedlung Riedhof West) | Stresemannallee, Mörfelder Landstraße | Ernst May, Herbert Boehm, Fritz Berke, Franz Roeckle | 1927–1934
Fritz-Kissel-Siedlung | 2330 Wohnungen | Stresemannallee, Mörfelder Landstraße, Teplitz-Schönauer-Straße, Ziegelhüttenweg, Benthener Straße | Nassauische Heimstätte, Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft, Gemeinnützige Wohnungsbau Aktiengesellschaft Rhein-Main | 1952–1956
Stadtwald
Waldspielpark Louisa
Waldspielpark Carl-von-Weinberg
Golfclub Frankfurt
Wohnsiedlung Goldstein | Frank Owen Gehry | 1996
Siedlung Goldstein (Gartenstadt) | Ernst May, Herbert Boehm, Walter Schwagenscheidt und Erich Mauthner | 1929-30
Siedlung Goldstein: Wohnhäuser Im Hirschländchen | GEWOBAG / Pletsch | 1960
Wohnhäuser für Forstarbeiter | 8 Häuser | Ferdinand-Dirichs-Weg 9, 11 | GEWOBAG / Köppel | 1960
Mainuferweg
Überfahrt über den Main mit der Höchster Fähre
Wohnanlage Auerstraße | 137 Wohnungen | Auerstraße, Kurmainzer Straße, Palleskestraße, Zuckscherdtstraße
Höchster Stadtpark
Spielplatz im Höchster Stadtpark
Henri-Dunant-Siedlung (Siedlung Sossenheim) | 1056 Wohnungen | Dunantring, Schaumburger Straße | NH Südwest / NH Hessen / Busch / Schanty | 1961–1965
Altenwohnungen Sossenheim | Öffentliche Bauten | Dunantring 8 | Schanty / Busch / NH Südwest
Parkanlage Sulzbachtal
Chlodwig Poth Anlage
Niddaradwanderweg
Solmspark
Spielplatz Blauer Steg
Brentanopark
Wohnhäuser in der Siedlung Westhausen | 160 Wohnungen
Heinrich-Lübke-Siedlung – Sanierung und Arrondierung I AS+P I 2010-2017 // Quartierzentrum I Jo. Franzke I 2010
Wohnanlage Hausen | 415 Wohnungen | NH Südwest / Volksfürsorge
Wiederaufbau Bockenheim | 950 Wohnungen | Schloßstraße, Hersfelder Straße, Kaufunger Straße, Mühlgasse, Rödelheimer Straße, Grempstraße, Fleischergasse, Schönhofstraße, Ederstraße, Werrastraße, Große Seestraße. Otto-Löwe-Straße, Schwälmer Straße | 1952–1957
Spielplatz Zeppelinpark
Europaviertel
Europagarten
Siedlung Hellerhof | Mart Stam | 1929-1932
Friedrich-Ebert-Siedlung | 128 Wohnungen | Ehinger Straße, Herxheimer Straße, Ackermannstraße
Spielplatz Frankfurt Mainkai
Verwaltungsgebäude der Deutschen Genossenschaftsbank – heute Union Invest – zukünftig Riverpark Tower | Öffentliche Bauten | Wilhelm-Leuschner-Straße/ Wiesenhüttenstraße | Speerplan GmbH / NH Städtebau Südwest Frankfurt | 1974–1978
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